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Schöne neue Controlling-Welt!

Peter Hofschröer

28.05.2014 | Fachinformationen

Lässt man diverse Fachzeitschriften im Controlling der vergangenen Jahres noch einmal Revue passieren, so zeichnen sich deutlich zwei Kernthemen ab: „Wirkungscontrolling" und „Beyond Budgeting". Damit wird die Sozialwirtschaft endlich aktiv mit zwei Herausforderungen konfrontiert, die ihr zwar seit langem schon latent oder offen unter den Nägeln brennen, für die sie sich bisher aber keine Lösungsansätze vorzustellen vermochte. Dabei ist die Diskussion über diese Themen gerade erst in Gang gekommen und wird sicherlich noch eine Weile weitergehen, bis es zu landläufig akzeptierten Rezepten und Methodiken im Controlling kommt. Mit diesem Beitrag möchten wir uns an der Diskussion beteiligen, dabei versuchen eine Brücke zu schlagen zwischen den beiden genannten Themenbereichen und gleichzeitig auch noch den informationstechnologischen Hintergrund mit beleuchten.

Mit dem „Wirkungscontrolling"[1] wird die eindimensionale gewinnorientierte Shareholder-Betrachtung in eine mehrdimensionale Stakeholder-Perspektivik überführt: Neben der klas­sischen monetären „Effect"-Betrachtung (Gewinn/Rendite) werden auch „Impact" (individuelle Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit) und „Outcome" (Leistungsbeitrag zum gesamt­gesell­schaft­lichen oder auch weltanschaulichen Auftrag) ins Visier genommen. Damit stellt man sich den tatsächlichen Anforderungen der Sozialwirtschaft ebenso wie man gleichzeitig aktiv mit dem „Kaputt-Sparen"-Vorurteil aufräumt, dem das Controlling häufig ausgesetzt wird. Kleines Beispiel: Wenn sich in einer Pflegeeinrichtung anhand einer bestimmten Belegungssituation und –struktur sowie den in der Entgeltvereinbarung festgesetzten (und somit refinanzierten) Personalschlüsseln ein Personalbedarf von 20 Pflegekräften ergibt und man setzt nur 18 ein, dann hat man einen „positiven" Effect, da mit Gewinn zu rechnen ist (wenigstens kurzfristig). Aber man hat gleich zwei negative Impacts, denn die pflegebedürftigen Kunden werden ebenso unterversorgt sein wie die pflegenden Mitarbeiter überfordert und somit sind alle unzufrieden – angesichts des Fachkräftemangels und der zunehmenden Anbieter-Konkurrenz eine gefährliche Entwicklung, und zwar mittelfristig bis langfristig auch in Richtung Effect und Outcome.

Doch welche Einrichtung verfügt heute über Controlling-Instrumente, die ebenso konsequent neben €-Werten auch Leistungs- und Personalgrößen mit ins Visier ihrer Betrachtungen nehmen? Und welche von diesen wiederum haben auch qualitative Messgrößen aus der Pflegeplanung und –dokumentation mit im Portfolio und können sie bspw. bei der Personalbedarfsermittlung dahingehend mit berücksichtigen, indem sie als qualitativer Personalbedarf dem refinanzierten Personalbedarf gegenüber gestellt werden? Welche Einrichtungen verfügen über Controlling-Systeme, die im Sinne von Business Intelligence (dt.: „Geschäftsaufklärung") alle Verantwortungsträger[2] (und nicht nur die „Teppich-Etage") mit steuerungsrelevanten Informationen versorgen können? Frei nach dem Grundsatz: „Controller is everyone"[3]

„Wirkungscontrolling setzt [...] dort an, wo das klassische Controlling aufhört, nämlich beim Output, also der quantitativen Leistungsmenge (z.B. Anzahl Teilnehmer an Schuldnerbera­tun­gen pro Jahr)"[4] und an dieser Stelle kapitulieren alle nicht-integrierten rein monetären Control­ling­systeme, weil sie nur den „Effect" darstellen können.

Eng verwandt mit diesem Dilemma ist auch das Thema Beyond Budgeting. Jeder schmunzelt bei Nils Pflägings Ausdruck „Planungsorgie"[5], vielen tiefer Involvierten bleibt er dann schließlich im Hals stecken. Aber alles „Unsinn"? – Ja, wenn es sich beim „Budget" um ein Machwerk handelt, das ohne Leistungsbezug einmal jährlich in Fortschreibung der (oft schlechten) Vorjahreswerte hergestellt wird und nur ein Ziel hat, nämlich durch das entspr. Aufsichtsgremium gewinkt zu werden, dann ja! Weil es nämlich dann so viel Steuerungsvermögen für die Einrichtung besitzt wie ein Fahrrad oder Mehlsack in Peking.

Ganz anders wäre es, würde man sich auch in der Sozialwirtschaft endlich auf eine flexible Plankostenrechnung einlassen. „Bei uns darf das verabschiedete Budget unterjährig niemals verändert werden!" entgegnet man da meist lapidar auf solche Ideen. Dabei will auch eine beschäftigungsabhängige Soll-Kostenermittlung das Budget ja gar nicht ändern: Das darf ja ruhig im Schrank stehen und auch im IT-System gespeichert bleiben. Aber für die unter­jährige Steuerung müssen doch die Zielvorgaben ständig an neue Beschäftigungs­situationen angepasst werden: Gleichbleibende Belegungszahlen in der Einrichtung verlangen zwar in diesem Falle keine Anpassung des Lebensmittelbudgets aber eine Veränderung in der Betreutenstruktur in Richtung höhere Pflegestufen erfordert natürlich eine Erhöhung der Pflegevollzeitkräfte und somit auch Anpassung der Soll-Personalkosten nach oben.

Der Grund warum solche Vorgehensweisen in der Sozialwirtschaft immer noch fremd sind, ist aber weniger häufig dem noch weit verbreiteten kameral geprägten „Haushalts"-Denken zuzuschreiben als der Unfähigkeit der eingesetzten IT-Systeme. Ohne integrierte Plattform geht's halt einfach nicht so einfach ...

Peter Hofschröer M.A.

LBU Systemhaus AG
(SAP-ChannelPartner)

[1] Moos, G./Konrad, M./Reichenbach R.: „Wirkungscontrolling – Erfolg messbar machen" (in: DGCS-Newsletter, September 2011)

[2] Wir vermeiden an dieser Stelle bewusst den Terminus „Manager", der – im Gegensatz zum engl. Sprachraum, wo er herkommt – im deutschen Sprachgebrauch viel zu sehr eingeengt in Richtung „Geschäftsleitung" besetzt ist. Ein echtes Management-Informationssystem ist ein „betriebliches" Informationssystem und als solches hierzulande in der Sozialwirtschaft kaum anzutreffen.

[3] Brück, U./Raps, A.: „Gemeinkosten-Controlling mit SAP", Bonn 2005. Seite 15

[4] Moos, G./Konrad, M./Reichenbach R.: a.a.O. Seite 2

[5] Schäffler, F./Hegenauer, T.: „'Beyond-Budgeting' – Auftaktveranstaltung des DGCS-Stammtisches in Stuttgart" (in: DGCS-Newsletter, Juni 2011, Seite 4)

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